Montag, 24. September 2018

Große Gewächse in kaiserlichem Ambiente

PREMIERE VDP. GROSSES GEWÄCHS in Berlin.
Treffpunkt: Kaiserliches Haupttelegraphenamt in Berlin. Natürlich heißt das 1863 errichtete Gebäude heute nicht mehr so, es beherbergt die Hauptstadtrepräsentanz der Deutschen Telekom. Aber, gibt es im digitalen Zeitalter einen besseren Ort für die Premiere VDP. GROSSES GEWÄCHS? Weine höchster Qualität, changierend zwischen schmeckbarer Tradition und Zeitgeist in Flaschen. Anfang September war eben dieses ehrwürdige Gebäude die Repräsentanz hoher und außergewöhnlicher Weinkunst.

Viel ist schon über die Spitzengewächse der VDP-Winzer aus 2017 (weiß) und 2016 (rot) geschrieben worden. Natürlich auch über die Wetterkapriolen des Vorjahrs. Und, Punkte über Punkte sind vergeben worden. Manch lesenswerte Beurteilung finden Sie hier. Ich bin ja nicht so der Punkte-Freund. Meine Punkte-Skepsis ist hinreichend dem geneigten Leser bekannt. In diesem Blog geht es auch mehr um die Geschichten rund um einen Wein, die jeweiligen Winzer und Weingüter. Eine gewisse Subjektivität will ich gar nicht verleugnen. So berichte ich heute mehr über meine Eindrücke, stelle ausgewählte Große Gewächse und Winzer vor. Viele herausragende Weine, die es ohne Frage verdient hätten, hier erwähnt zu werden, fehlen. Über manches Gewächs werde ich noch gesondert schreiben. Der eine oder andere Wein, gleichwohl von hoher Qualität, blieb mir verschlossen oder schmeckte mir schlicht nicht. Auch habe ich eine Auswahl der einzelnen Anbaugebiete vorgenommen. So konzentriere ich mich beim Riesling auf Mosel, Nahe, Pfalz und Rheinhessen, beim Silvaner auf Franken und beim Spätburgunder auf Baden.

Ein Trend ist vermehrt feststellbar, immer mehr Weingüter gönnen ihren Großen Gewächsen mehr Zeit. Sie lassen die Weine länger reifen und präsentieren daher in diesem Jahr 2016er Weine. Eine spannende Entwicklung,

Ein solcher Vertreter ist zum Beispiel der 2016er Josephshöfer des Weinguts Reichsgraf von Kesselstatt aus der gleichnamigen 5 ha großen Monopollage in Graach. Der, für Moselverhältnisse, relativ schwere Boden bringt kräftige, leicht rauchige Weine mit einer charakteristischen Würznote sowie dezenten Fruchtaromen hervor. Mit würzigen, tropischen Fruchtnoten hat mich auch der 2017er Goldtröpfchen des Weinguts Haart überzeugt. Ein ungewöhnlich präsenter und klar strukturierter Wein aus der Hauslage des seit 1337 in Piesport ansässigen 9 ha großen Weinguts.

Aus der gleichen Lage präsentiert Thomas Haag, Weingut Schloss Lieser, seinen 2017er Goldtröpfchen. Ein Wein voller Pep und Energie, präzise, mit einem wunderbaren Säure- und Mineralienspiel. Begeistert hat mich dort zudem der 2017er Niederberg Helden mit seiner kühlen Stilistik und angenehmen Würzigkeit.

'Begeisterung' klingt immer so vergänglich, als Momentaufnahme. Nein, die Mosel begeistert mich immer wieder. Bei jeder Fahrt an die Mosel muss ich an den römischen Dichter Ausonius denken, der im Jahre 371 das wundervolle Gedicht Mosella schrieb (bitte nicht mit dem Lied 'O Mosella' des Kölner Bäckers Karl Berbuers von 1947 verwechseln). Jener Decimius Magnus Ausonius war in Trier Lehrer und Erzieher des späteren römischen Kaisers Gratian. Dieser Kaiser erhob 382 das Christentum zur Staatsreligion. Ausonius preist in seinem Gedicht die Naturschönheit der Mosellandschaft, den Fleiß ihrer Anwohner sowie den Reiz und die Fruchtbarkeit des Moselufers.

Die Mosel windet sich nahezu bedächtig durch dieses Tal, Steilhänge begleiten sie und Orte, wie von einem wohlmeinenden Schöpfer ans Ufer drapiert. Jede Gemeinde hat eine mehr oder weniger interessante römische Vergangenheit. Auch im Weinbau. In Lieser wird dies an der römischen Kelteranlage sehr deutlich. Ein Besuch dort lohnt sich. Natürlich auch in der wunderschönen spätbarocken Kirche St. Peter in Lieser.

Wenige Kilometer flussaufwärts liegt die wunderbare Weinlage Juffer. Die Töchter eines Kammerherrn weigerten sich im 19. Jahrhundert zu heiraten. Lieber kümmerten sie sich um einen Weinberg, der der Familie gehörte. Die verärgerten Eltern nannten den Weinberg daher im moselfränkischen Dialekt Juffer - Jungfer. Die 32 ha große Lage besticht mit ihren Rieslingen. Mittendrin dann auch noch eine Filetlage: Juffer Sonnenuhr. Hier kommt die 2017er Juffer Sonnenuhr Riesling Auslese des Weinguts Fritz Haag aus Brauneberg her. Was für ein Wein! Der Enkel von Fritz, Oliver Haag, präsentiert einen edelsüßen Riesling voller Frucht, dicht am Gaumen, leicht rauchig und mit dezenten Würznoten. Harmonie pur auf der Zunge! Kein Wunder, der Ort Brauneberg hieß bis 1925 Dusemond - aus dem lateinischen 'dulics mons', süßer Berg.

Von Brauneberg ist es nur ein kleines Stück, bis man moselabwärts in Bernkastel-Kues steht. Dieser pittoresken Kleinstadt mit bedeutender Geschichte. Kurfürst Boemund II. wird hier mit Wein von einer Krankheit geheilt. Der große Universalgelehrte, Kardinal und päpstlicher Legat Nikolaus von Kues, dessen Herz im Cusanus-Stift ruht, kommt von hier. Und natürlich, Ernst Loosen baut im St. Johannishof beste Rieslinge aus. Zwei Jahre Hefelager und dann noch ein Jahr in der Flasche im Weingut Dr. Loosen kennzeichnen den 2013er Würzgarten Riesling GG Alte Reben Réserve. Was für eine Komplexität! Ein wohliger, wonniger Spätsommer präsentiert sich da auf der Zunge. Die Rebstöcke, bis zu 120 Jahre alt, stehen in der Ürziger Steillage auf rotem vulkanischen Boden. Hier ist Tradition ein trinkbarer Genuss.

Ich weiß, es ist jetzt ungerecht, nicht über die 2007er Wehlener Sonnenuhr Auslese von Joh. Jos. Prüm oder über die Weine vom Karthäuserhof sowie denen aus dem Weingut Maximin Grünhaus zu schreiben. Auch fehlen die Vereinigten Hospitien und natürlich von Othegraven. Erst recht Heymann-Löwenstein. Ohne Frage, alles Weine und Weingüter von höchster, ja kaiserlicher Qualität. Über all diese schreibe ich gesondert. Im nächsten Beitrag wechsle ich aber erst einmal die Region und die Rebsorte: Es geht nach Franken zum Silvaner. Deutschland ist ein spannendes Weinland.

Bild: VDP. Die Prädikatsweingüter