In Mainz steht einer
der ältesten und wohl schönsten Brunnen der Renaissance. Gestiftet
1526 von Kurfürst Albrecht von Brandenburg, ein großer Kunstmäzen
und Renaissancefürst. Drei Bistümer nannte er sein eigen.
Kostspielig. Politisch mächtig, aber mittellos. Das Mainzer
Domkapitel wählte ihn zum Mainzer Bischof. Aus strategischen und
taktischen Gründen. Ihn selbst darf man getrost als Pfründenjäger
bezeichnen. So etwas kennen wir heute nur noch beim IOC und der FIFA.
Die für die Ernennung durch den Papst notwendigen Palliengelder
hatte er nicht. Seine Heiligkeit Papst Leo X., ein Medici, gestattete
ihm zur Zahlung die Durchführung eines Ablasses - „Wenn das Geld
im Kasten klingt, die Seele aus dem Fegefeuer springt.“ Und das
alles zur Finanzierung des Peterdoms in Rom.
Dank Geld in den
Himmel – wie konnte Luther das nur kritisieren?
Ein geniales
Geschäftsmodell: Erst erklärt man den Menschen ausgiebig ihre
Verwerflichkeit. Dafür müsse man in die Hölle, auf jeden Fall ins
Fegefeuer. Es gibt nur einen Weg der Erlösung – eine
Ablassurkunde. Man setzte einfach eine Lesefähigkeit des Teufels
voraus. Mit so einer Urkunde konnte man sich selbst oder bereits
Verstorbene vor der ewigen Verdammnis bewahren. Klasse! Man zahlt,
erhält Urkunde – fertig fürs Himmelreich. Barzahlung, keine
Reklamation möglich. Alle glücklich und zufrieden. Und so etwas
kritisiert Martin Luther. Spielverderber!
Ich mag Luther.
Daher glaube ich, er hat den Disput, nicht die Provokation gesucht.
Bestimmt hat Luther, ein Professor, gar nicht 1517 in Wittenberg
gehämmert. Da waren seine Oberen von ganz anderem Kaliber. Bischöfe,
ja sogar Päpste haben mit Schwertern mächtig in Schlachten sich
gegenseitig den wahren Glauben um die Ohren gehauen. Jahrhundertelang
haben sich Christen untereinander, Christen gegen Juden, Christen
gegen Moslems, Moslems gegen Moslems, Moslems gegen Juden – einfach
alle immer wieder – im Namen des einen, richtigen unendlichen
Gottes bekriegt. Töten im Namen des lebensspendenden Gottes. Unsere
Päpste und Bischöfe waren da immer ganz vorne dabei. Immer für den
rechten Glauben kämpfen. Und als Luther ihn gefunden zu haben
glaubte, war er schon wieder ungläubig. Dafür zahlen wir heute
Kirchensteuern, die wiederum Papst Benedikt XVI., kein zwingender
Freund der Protestanten, 2011 in Freiburg massiv kritisierte.
Vielleicht wäre die Frage der Kirchensteuer eine 96. These
geworden... .
96. These? Wider
der Kirchensteuer?
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| War es der Hammer eines Zimmermanns? |
Ja, Luther war und
ist wichtig. Als Katholik, auch noch römischer, ist mir eben diese
gesamte römische Cesarennachbildung in jedem katholischen
Gottesdienst höchst unangenehm. Nicht nur mit Weihrauch wird hier
vernebelt, bestimmt, gelenkt. Gerade die katholische Kirche ist eine
echte Verbotskirche! Da freue ich mich ganz besonders über zwei
Lieder im evangelischen Gesangbuch; alleine für diese hat sich die
Reformation schon gelohnt. Klar und deutlich, der Kern unseres
christlichen Glaubens und meiner ganz persönlichen Hoffnung:
1. Du kannst nicht
tiefer fallen als nur in Gottes Hand (Nr. 533)
2. Ein' feste Burg
ist unser Gott (Nr. 362)
Eine Legende will
es, dass Martin Luther das Lied 'Ein' feste Burg ist unser Gott'
erdichtete, als er auf dem Weg nach Worms am 15. April 1521 Station
in Oppenheim machte, und von seinem Zimmer den Blick auf die mächtige
Burg Landskron hatte.
Ausgerechnet in
Worms, wo Martin von Tours (der 1200 Jahre vor dem Thesenanschlag
geboren wurde) wenige Meter entfernt vom Versammlungssaal der
Reichsfürsten eingekerkert gewesen sein soll, weil er Soldat Christi
sein wollte und nicht mehr Offizier des römischen Kaisers.
Ausgerechnet hier, wo eine bedeutende Papstwahl stattfand, wo ein
anderer Papst aufwuchs, und strenggläubige Juden ihren großen
Gelehrten Raschi verehren, da erklärt sich Martin Luther. Mit einem
Satz, den er wahrscheinlich gar nicht gesagt hat, aber, er passt.
Wer hat Luthers
Hammer?
„Hier
stehe ich und kann nicht anders! Gott helfe mir, Amen!", soll
Luther gesagt haben. Legende, wie wir heute wissen. Legende ist auch
der Thesenanschlag. Die Wissenschaft ist sich heute
einig, er hat die Thesen nicht angeschlagen. Er hat einen regen
Briefverkehr mit vielen namhaften Gelehrten und Geistlichen jener
Zeit geführt.
Und doch ist er auch
Opfer politischer Intrigen geworden. Das wichtige und ernsthafte
Anliegen Luthers wurde zum Gegenstand kriegerischer und
machtpolitischer Auseinandersetzungen. Verbrannte Erde – getötete
Menschen. Immer wieder für Macht, Geld, Einfluss. Jedes Mittel war
okay. Verleumden, Aushungern, Zerstören, Morden. Im Namen Gottes.
Die Mainzer
bezeichnen den Marktbrunnen als 'warnende Spende' des Kurfürsten.
Nach den Bauernkriegen wurde den Bürgern der Stadt die kurfürstliche
Macht und Herrschaft mit diesem kunstvollen Geschenk vor Augen
geführt. Gönnerhaft. 500 Jahre später inszenieren kirchliche
Würdenträger aller Konfessionen noch immer. Die Kirchensteuer macht
es möglich.
Martin Luther würde
dafür deftige Formulierungen finden. Und mit dem Hammer kräftig
reinhauen.
