
Vom „Ewigheutigen“
spricht Safranski. Wir kommunizieren in die Breite, nicht in die
Tiefe. Dank Twitter und Facebook wissen wir oft, was Menschen denken
bevor sie nachgedacht haben. Abwägen und Überlegen, „die
Blickrichtung zu ändern“ wie Carolin Emcke fordert, scheint für
viele Menschen eine Zumutung zu sein. Übrigens, ich freue mich über
den Friedenspreis für sie.
Erntezeit
Es ist Herbst.
Erntezeit. Und auch Verlage wollen 'ernten'. Volle Auftragsbücher
für sie, interessante Angebote im Buchhandel für uns, neue Verträge
für Autoren. Alle bereiten sich auf den Winter und das nächste
Jahr, das Jahr der Reformation, vor. Klar, viele kirchliche Medien
präsentierten sich gerade deshalb auf der Buchmesse.
In Landwirtschaft
und Weinbau war und ist ebenfalls Erntezeit. Von geistigen zu
kulinarischen Genüssen. Bei den vielen Kochbüchern auf der
Buchmesse und den wirkungsvollen Kochshows müsste man sich sicher
keine Sorgen mehr um unsere Ernährung machen. Wieso kommt mir dieser
simple Spruch 'Die Menschen kaufen sich einen Grill für 800 Euro und
legen 10 Bratwürste für 99 Cent drauf' in den Sinn? Egal!
Es war ein
schwieriges Jahr für Bauern und Winzer. Achtung, eine solche Aussage
bedeutet Preiserhöhungen im nächsten Jahr. Gerade die Winzer
konnten aber in den letzten Tagen noch hohe Qualitäten ernten. Mehr
als ärgerlich, wenn einem Winzer dann, wie im Rheingau geschehen,
die Trauben am Stock geklaut werden. Für die Familie Russler in
Walluf nicht nur ein finanzieller Verlust von mehr als 10.000,--
Euro. Kraft und Mühen letztlich umsonst. Es geht auch um beste
Weinqualitäten, die man einfach nicht mehr auf den Markt bringen
kann.
Dabei müssen die
Räuber sehr professionell in der Steillage am Werk gewesen sein. 10
Erntehelfer brauchen wenigstens drei bis vier Stunden für die
Rebzeilen. Ein Versehen? Bestimmt nicht. Gut organisierter Diebstahl.
Darth Vader war auf der Buchmesse – wieder einmal. Raum für
Verschwörungstheorien.
Verschwörungstheoretiker
lasst mich in Ruhe!
Für alles und jedes
gibt es ja heute eine Verschwörungstheorie. Beliebt sind gerade
diese, die unsere Demokratie betreffen, die Europa in Frage stellen.
Dabei war die Welt so einfach, als es zwei Blöcke gab. Dort der böse
Osten, hier der gute Westen. Ist nicht mehr. Jetzt wird überall
Manipulation vermutet. Vielleicht manipulieren sich die
Verschwörungstheoretiker auch einfach nur selbst.
Europa hat es eben
nicht leicht. Misstrauen, nationale und regionale Interessen, Angst
vor Neuem und Unbekanntem. Möglicherweise sind unsere politischen
Strukturen nicht zeitgemäß, sind Politik, Verwaltung, wir alle
einfach überfordert. Erst Griechenland, dann Flüchtlingskrise,
jetzt CETA – es ist verdammt schwierig für unseren Wohlstand einen
gesellschaftlichen Konsens zu erzielen. Carolin Emcke formuliert es
treffend in ihrer Dankesrede zum Friedenspreis des Deutschen
Buchhandels: „Demokratie ist keine statische Gewissheit, sondern
eine dynamische Übung im Umgang mit Ungewissheit und Kritik.“
Und nun auch noch
die Reichsbürger. Ich habe mir mal das Reichsbürgergesetz von 1935
angeschaut. Nein! Keine Option für Deutschland. Was macht
Deutschland aus? Preußische Tugenden, rheinische Lebensart und
bayrische Kost? Vielleicht. Deutschland ist aber mehr. Hrabanus
Maurus und Bonifatius gehören dazu, Luther und viele andere. Denken
wir doch Deutschland und Europa karolingisch. Und wenn man alles zu
Ende denkt, dann sind wir alle vielleicht auch ein klein wenig Römer.
Gut, dass Ingo Zamperoni die Tagesthemen moderiert.