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Otto von Bismarck |
Otto Eduard Leopold
von Bismarck-Schönhausen hätte sich gewundert. Der große Fürst
Bismarck, ab 1890 Herzog von Lauenburg (auch wenn er diesen Titel
stets ablehnte), war ein Nationalist, verachtete Katholiken und
Sozialisten gleichermaßen, war ein kluger Außenpolitiker und
zugleich Gralshüter preußischer Interessen. Und, er war ein
Genussmensch. Heute vor 200 Jahren wurde er geboren.
Im Sommer 1851
besuchte Bismarck (damals noch einfach nur 'von' Bismarck) mehrfach
den Rheingau. Was alleine schon für seinen brillanten Verstand und
hohe Genussqualität spricht. Dreimal weilte er auf Schloss
Johannisberg zu Gesprächen mit Fürst Metternich. Was für ein Bild
muss das gewesen sein sein – zwei Männer, die im Nachklang der
Geschichte nahezu 100 Jahre Europas Entwicklung wesentlich prägten.
Bismarck selbst schreibt später über diese Besuche, dass er die
Reden des alten Meisters sehr geschätzt habe, aber ebenso die
Erzeugnisse seines Weinberges.
Bismarck wusste zu
genießen. Heute besteht Weingenuss häufig aus einer literarischen
Übung, die oft auch noch schiefgeht. Weine wollen getrunken werden.
Manch Weintrinker
und Weinkenner beschreibt uns gerne sein Weinerlebnis. Von 'stahliger
Mineralik' ist dann zuweilen die Rede. Als ob Geologen den Wein
untersucht hätten. Oder ich lese von einem Wein als 'fette
Wuchtbrumme'. Will ich wirklich die geheimen Wünsche, Sehnsüchte
und Neigungen von diesem Weintrinker kennen? Oder will ich einen
Wein, der mir mit 'nasser Erde' beschrieben wird? Da klingen
Bezeichnungen wie 'fleischiger Wein' oder 'ein leicht floraler Wein'
doch sehr angenehm.
Weine schmecken
oder schmecken nicht
Besonders unangenehm
wird es in meinen Augen, wenn dann auch noch Weine als 'geil' oder
'geiler Scheiß' (was eine Steigerung in der Bewertung sein soll)
bezeichnet werden. Manchmal lasse ich mich dazu hinreißen, Weine als
schön zu bezeichnen. Aber, Weine sind nicht schön, Frauen sind
schön (diese Formulierung ist ein kurzer Ausflug in die
chauvinistische Welt von Wein, Weib und Gesang), Weine schmecken oder
schmecken nicht.
„Eine saftige
Kirsche tanzt hier gleich mit einem ganzen Reigen dunkelroter Früchte
– nicht Walzer, sondern Tango! Zur Sommerküche immer der richtige
Schritt.“ Solche Beschreibungen können Winzer auch noch kaufen.
Was soll man denn bloß zu solch einem Wein essen? Natürlich kann
jeder Weintrinker Weine beurteilen. Das große Spektrum der Aromen
kann gerochen und geschmeckt werden. Das Zusammenspiel von Farbe, Geruch
und Geschmack kann uns zu einem besonderen Genusserlebnis führen.
Manchmal erleben wir aber auch eine diffuse Duftwahrnehmung und das
versprochene Feuerwerk der Aromen entpuppt sich als Blendwerk. Da
wäre dann die richtige Beurteilung für den Geschmack
'unharmonisch'...
Weinsprache ist
Marketing
Weinberg in Rüdesheim am Rhein |
Klar, es gibt ohne
Frage viele ernstzunehmende und bedeutende Weinkenner und -bewerter.
Dennoch erlebe ich immer wieder Weintrinker, die völlig
verschüchtert vor erstklassigen Weinbewertungen stehen und mir
sagen: „Jetzt hat dieser Wein 89 Punkte, aber mir schmeckt er
nicht.“ Weinbeschreibungen sind immer subjektiv. Von ihnen kann
keine Allgemeinverbindlichkeit ausgehen. Gleichwohl sind sie oft eine
wertvolle Orientierung, können eine Hilfestellung darstellen. Dazu
zählt auch das immer wieder gern benannte Terroir. Diese Verbindung
von Boden, Klima und Mensch/Winzer lässt sicher wunderbar die
Unverwechselbarkeit einer Region beschreiben. Aber, auch hier spielen
viele Unwägbarkeiten und unbekannte Größen eine Rolle.
Bodenbearbeitung, Klimaveränderungen und -schwankungen sowie
Kellertechnik und Fähigkeiten eines Winzers beeinflussen das Terroir
seit Menschengedenken. Aus guten Trauben muss noch lange kein guter
Wein werden (ein Umkehrschluss wäre hier nicht zulässig).
Lasst dem Wein
das Rätselhafte
Hermann Hesse hat in
einem Brief 1936 geschrieben:
„Man sollte Bücher
nicht mit solchen Gedanken und Fragen lesen, wie Sie es tun. Wenn Sie
eine Blume betrachten oder an ihr riechen, so werden Sie ja auch
nicht gleich darauf die Blume zerpflücken und zerrupfen, sie
untersuchen und mikroskopieren, um herauszukriegen, warum sie so
aussehen und so durften muß. Sondern Sie werden eben die Blume, ihre
Farben und Formen, ihren Duft, ihr ganzes Dasein in seiner Stille und
Rätselhaftigkeit auf sich wirken lassen und in sich aufnehmen. Und
sie werden von dem Blumenerlebnis genau in dem Maß bereichert sein,
in dem Sie der stillen Hingabe fähig sind.
So wie mit der Blume
sollten Sie es mit den Büchern der Dichter auch machen.“
Mit dem Wein sollten
Sie es auch so machen. Genießen Sie (hier und auch einfach still) und suchen Sie nicht alle
Erkenntnis zu gewinnen. Lassen Sie dem Weingenuss etwas von der
Rätselhaftigkeit des Seins.