Dienstag, 19. Juni 2018

Fußball, Wein und Damen

Die neue Linie aus dem Weingut Castell.
Der verstorbene Friedensnobelpreisträger und Bundeskanzler Willy Brandt erzählte gerne folgenden Witz: "Was ist relativ? Fünf Flaschen im Weinkeller sind wenig. Fünf Flaschen in der Bundesregierung sind viel."*

Nun, die Zeiten sind zu ernst, um sich einfach einem Witz hinzugeben. Gleichwohl, ich weiß nicht, ob fünf Flaschen Wein zur Bewältigung der vielfältigen Krisen, die uns umgeben, ausreichend wären. Krisen, die mehr als Herausforderungen sind, allerorten:  von Berlin bis München, von Washington bis Peking, von London bis Brüssel, von Frankfurt bis Moskau. 

Wie komme ich jetzt auf Fußball? Für unsere Mannschaft ist es am Sonntag nicht so glücklich gelaufen, um es halbwegs zurückhaltend zu formulieren. Es war das erste Spiel, und anschließend eine mediale Hinrichtung. Da werden wir seit Wochen auf allen Kanälen mit Vorberichten und noch mehr Werbung malträtiert, und dann verlieren unsere Jungs gegen Mexiko. Gegen Mexiko! Jetzt wissen natürlich alle (und wussten es eh schon vorher), es lag an der Aufstellung.

'Aufstellung' ist das Zauberwort. Wahrscheinlich wird es sogar noch Wort des Jahres. Alles ist und muss irgendwie aufgestellt sein, am besten 'neu'. Es trifft alle Bereiche unseres Lebens, selbst Weingüter - am Ende geht es halt immer um Flaschen.

Dem Weingut Castell ist da z. B. eine Aufstellung mit der neuen Linie "DIE GEFÄHRTEN" gelungen, die einfach Lust macht. Individuell und irgendwie ganz anders - ungewohnt für das traditionsbewusste Adelsgeschlecht aus Franken, welches 1057 erstmals erwähnt wurde und mindestens seit 1224 Weinbau betreibt. Schwere Rotweine, lagerfähige Weißweine, einzigartige Silvaner, beste Qualitäten - dafür steht das herausragende VDP-Weingut mit seinen 70 ha Weinbergen am Steigerwald. Immer mit dem Wappen des Fürsten auf dem Etikett, meist im Bocksbeutel präsentiert. Dezent. Und jetzt: bunte Etiketten mit den Bildnissen von Frauen. Und was für Frauen! Die Pressemitteilung überschrieb das Fürstlich Castell'sche Domänenamt dann auch mit der Aussage "Tradition mit Augenzwinkern".

Ein Hauch von Glamour umweht Castell

Weingutsleiter Peter Geil muss ob meiner Überraschung leicht grinsen. Nein, man bleibe selbstverständlich den eigenen hohen Qualitätsansprüchen treu. Ausgesuchte Lagen, intensive und schonende Pflege der Weinberge, selektive Handlese und lange Lagerung auf der Feinhefe seien einige der Voraussetzungen für diese neue Wein-Linie. Historischen Casteller Persönlichkeiten sind die einzelnen Weine gewidmet. Dabei werden Tradition und Geschichte eben nicht zum kitschigen Sehnsuchtsort, sondern zur geistvollen Orientierung. Es sind die Damen des Hauses, welche über die Jahrhunderte hinweg wesentlich die Geschicke der ehemals kleinen Grafschaft prägten. Wirklich Zeit, sie hervorzuheben.

Gräfin Sophia Juliana baute 1659 nach dem 30-jährigen Krieg mit ihrem Mann erstmals den Silvaner in Deutschland an, heute noch ein Markenzeichen des Weinguts. Oder Gräfin Amalia, die mit ihrem Gatten den Übergang in das Königreich Bayern managte. Eine sehr gebildete und engagierte Dame in der Zeit der Romantik. In jener Zeit wirkte es geradezu als Affront, wenn Frauen sich geistig und künstlerisch emanzipierten. Ihre 'Patenschaft' für den Riesling in der Wein-Linie ist mehr als nur Ausdruck einer Wertschätzung, es ist ein Bekenntnis.

Kritiker mögen einwenden, das Weingut bringe 'Lifestyle-Weine' auf den Markt. Nein, Castell bleibt natürlich und authentisch. Typische Frankenweine, charaktervoll und markant; Weine mit Überraschungspotenzial:

Vollmundig, würzig mit leichten Birnenaromen präsentiert sich der 2017er Silvaner trocken. Ich mag die Bezeichnung Sommerweine nicht, aber diesen Wein mit einem leichten Bergkäse, Schinken und Brot auf der Terrasse genossen, einfach wie Urlaub. Und die feine Mineralität, die Aromen von Apfel, Pfirsich und Ananas des 2017er Riesling trocken - für mich im Rheingau eine echte Alternative.

Der 2017er Weissburgunder/Grauburgunder begeistert mit seiner Cremigkeit und seinem Schmelz. Den mag ich einfach so genießen. Nicht zu vergessen, der 2016er Rotwein trocken. Ein Cuvée aus Spätburgunder und Merlot mit den Aromen von Waldbeeren, Mokka und dunkler Schokolade.

Dem Weingut Castell ist eine wirklich eindrucksvolle Aufstellung gelungen. Gratulation! Ach, wir brauchen einfach mehr Gefährten in unserer Welt. Auch am Samstag gegen Schweden.


Mehr Infos unter www.castell.de.



*Zitiert aus Willy Brandt "Kommen Sie aus Deutschland oder aus Überzeugung?" Politische Witze; Deutscher Taschenbuch Verlag, München, 2013, S. 136