Dienstag, 12. Dezember 2017

Edel sei der Mensch. Und der Sekt ein Pfälzer!

"Edel sei der Mensch, hilfreich und gut!", schreibt Johann Wolfgang von Goethe 1783 in seinem Gedicht "Das Göttliche". 10 Strophen, kein Versmaß und kein erkennbares Reimschema. Ihm ist die zeitlose Botschaft wichtiger. Es klingt nach einer Conditio humana. Jeder kennt diesen ersten Satz, diesen Dreiklang - edel, hilfreich und gut. Eine immerwährende Aufforderung. Irgendwie auch tagesaktuell, nicht nur im Advent. Der Mensch "kann dem Augenblick Dauer verleihen", heißt es am Ende der 7. Strophe.

Michael Andres und seine Kollektion
Es ist einer dieser unwirtlichen Samstage im November. Ich bin in der Pfalz unterwegs. Habe schon einen Weingutsbesuch hinter mir, und in einem kleinen Gut übernachtet. Jetzt werde ich in Ruppertsberg erwartet. Eine kleine Gemeinde, wie es derer viele in der Pfalz gibt. Die Pfalz ist groß - es ist die "Kelter Europas", von der der General Harras in Carl Zuckmayers "Des Teufels General" spricht. Eine Region der gewachsenen Vielfalt.

Die Sektkellerei liegt am Ortseingang, und doch leicht versteckt. Keine übergroßen Werbetafeln. Ein moderner, zweckmäßiger Bau, dabei keine Platzverschwendung - Grund und Boden sind ein hohes Gut. Konzentration auf das Wesentliche. Ich bin in der Sektkellerei ANDRES & MUGLER. Im Sommer durfte ich beim 1. SparklingFestival in Frankfurt Steffen Mugler kennenlernen. Die Sekte begeisterten mich. Der Winzer auch. Jetzt treffe ich Michael Andres. Die beiden haben über ein Hobby - das Motorrad - zur gemeinsamen Sektkellerei, die sie 1989 gründeten, gefunden. Beide stammen aus Winzerfamilien, beide selbst Winzer, waschechte Pfälzer. Jeder hat sein eigenes Weingut gegründet, welche die Grundweine für die Sekte liefern.

Wir trinken 2013er Cuvée Elena brut. Was für Fruchtaromen! Und ein unbändiger Nachhall. Chardonnay, Auxerrios und hell gekelterter Schwarzriesling - eine einmalige Vermählung. 30 Monate auf der Hefe. Passt wunderbar zu Rinderbraten oder einfach nur zum Käse. Mit 16,00 Euro ab Hof in meinen Augen zu günstig.

Auf die Grundweine kommt es an. Michael Andres ist ein Mann der leisen Töne, von einer aufmerksamen und bedächtigen Offenheit. Zugleich brennt er, wenn es um die Rebstöcke und Weinberge geht. Kein Wunder, steht er doch für organisch biologischen Weinbau. Gute Sekte brauchen gute Weine. Das Hauptaugenmerk in beiden Weingütern liegt auf den Weinbergen. Das ist arbeitsintensiv, bringt aber außerordentlich mineralische und individuelle Weine hervor. So werden optimale, rebsortentypische Aromen erreicht, die eindrucksvoll das Terroir widerspiegeln. Es ist die 'Freiheit des Weglassens', die die biodynamische Arbeit prägt. Engagiert wird auch der sanfte Rebschnitt verfolgt. Die Rebstöcke sehen dann zwar nicht ganz so gepflegt aus, wie es der Spaziergänger am Sonntag erwartet, aber es wird eben der Saftfluss in der Rebe nicht gestört, was am Ende der Weinqualität zuträglich ist. Beim Rebschnitt wird nur junges Holz entfernt und der angeschnittene Trieb an der Basis der Fruchtrute des Vorjahres belassen, sodass ein Anschluss an die bereits entwickelten Leitgefäße gegeben ist. Eine Methode aus Südtirol, die sehr im Kommen ist, hier schon umgesetzt.

Als "ungeschminkten Sekt" bezeichnet Michael Andres seine Sekte. Es ist keine aufgesetzte Bescheidenheit, die da spricht, eher Demut vor der Natur. Eine sorgfältige Standortwahl für die jeweiligen Rebsorten, nachhaltige und bewusste Pflege der Weinberge, intensive Selektion vor der Lese, ausschließlich Handlese, schonendes Pressen des Mostes, elegante Vermählung, keine Behandlung mit Schönungsmitteln, lange Hefelagerung - handwerkliche Sektherstellung voller Passion und Können. Ausdrucksvolle Sekte mit Persönlichkeit sind das Ergebnis.

Verliebt bin ich in den Chardonnay Auxerrois brut. Muss ich auch. So, wie dieser Sekt mit meiner Zunge flirtet, meinen Gaumen umschmeichelt. Der rassige Chardonnay und der körperreiche Auxerrois - es entsteht eine spielerische Rauchigkeit, die dem Augenblick tatsächlich Dauer verleiht. Für 15,00 Euro ab Kellerei ein wertvolles Schnäppchen.

In dieser Sektkellerei ist mir wieder Liselotte von der Pfalz eingefallen, die Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans. Nach Frankreich verheiratet, wurde die Schwägerin von Ludwig XIV. ungewollt zum Spielball im Pfälzischen Erbfolgekrieg. Nach ihrem Tod am 08. Dezember 1722 sagte Pater Cathalan in seiner Trauerrede: "Ich kenne niemanden, der so stolz und großherzig und doch keineswegs hochmütig war; ich kenne niemanden, der so gewinnend und liebenswürdig und doch keineswegs lasch und kraftlos war; eine besondere Mischung aus germanischer Größe und französischer Umgänglichkeit tat sich kund, heischte Bewunderung. Alles an ihr war Würde, aber eine anmutige Würde. Alles war natürlich, ungekünstelt und nicht eingeübt. Sie spürte, was sie war, und ließ es die anderen spüren. Aber sie spürte es ohne Überheblichkeit und ließ es die anderen ohne Verachtung spüren." So sind die Pfälzer. Und ihre Sekte!