Freitag, 24. März 2017

Mehr Wein für alle!

Früher war alles besser (Selbst die Zukunft, wie Karl Valentin sagt). Klar. Kam die Erbtante zu Besuch, wurde zum Essen eine Spätlese ausgeschenkt(später, an jedem Jahrestag ihres Dahinscheidens, eine Auslese, auch ohne Essen). Man hatte den Winzer seines Vertrauens, die Weinqualität klar strukturiert – Wein, das seit Jahrtausenden notwendige Alltagsgetränk, war irgendwie zu einem Statussymbol geworden. Heute? Es klingt nach einer billigen Phrase, wenn ich von der multimedialen, globalisierten Welt schreibe.Winzer müssen immer wieder ihr Produkt Wein neu definieren und vermarkten; sich neu erfinden, ohne ihre Authentizität zu verlieren. Wein ist eben ein Handelsgut.

Der Absatzdruck ist riesig, die Konkurrenz international. Auf der ganzen Welt gibt es viele gute Winzer und Winzerinnen. Die Zahlen der ProWein belegen dies eindrucksvoll. 65oo Aussteller (nicht nur Winzer) aus mehr als 60 Ländern. Ich durfte einmal mehr die Bekanntschaft mit spannenden Winzern und erstklassigen Weinen machen. Immer wieder habe ich in den letzten Tagen vom Volksfestcharakter der Messe gelesen. Diesen Eindruck kann ich nicht teilen. Ja, die Weinwelt ist im Umbruch. Überall ist dies greif- und spürbar. Wobei ich durchaus zugebe, gelegentlich begegnet einem dabei ein Aktionismus, der das zentrale Produkt Wein recht unsanft in den Hintergrund treten lässt. 

Stark: Die Präsentation der Rioja-Weine

Andererseits ist die Präsentation manches regionalen und nationalen Verbandes immer noch so bieder, nahezu behäbig, dass man fast die Klasse der Weine und die Innovationskraft der Weingüter übersehen könnte. Dabei gibt es auch Winzer, die sich in ihrer Standnische am liebsten noch verstecken würden, statt ihren Weinen ihr Gesicht zu geben. Und andere, deren Weinqualität deutlich von ihrer Arroganz übertroffen wird, die sich wiederum ausschließlich aus eigener Selbstüberschätzung nährt. Auch das ist die ProWein. Aber, die Ausnahme.

Hohe Qualitäten, ein vernünftiger Preis-Mix, ansprechende Flaschen-Designs. Echte Hingucker. Wahrhaft gute Weine. Gerade bei vielen kleineren Weingütern ist neben Können ungeheuer viel Mut zur Veränderung sichtbar. Das ist mein Fazit des Messebesuchs. Dazwischen immer wieder das Schwanken einzelner Winzer zwischen Spätlese-Glückseligkeit und Wein-Event-Kultur.

Keine Angst haben viele Winzer vor der Entwicklung im Discounter-Segment. Im Gegenteil. Eine Chance zur Kundenakquise. Und auch Hoffnung. Der Einstieg der Kunden im Einzelhandel kann zu mehr Interesse an der Welt des Weines führen. Und damit auch zu einem Zuwachs bei den kleineren Gütern. Das Interesse am Wein steigt. Weinveranstaltungen jeglicher Art boomen. Das nimmt Verbrauchern auch die Angst. Man muss kein Weinkenner sein. Für jeden gibt es ein Angebot. Am Ende des Tages gilt: Wein schmeckt oder er schmeckt nicht.